© H. de Vries

Sonntagsgedanken zum 21.04.2025

Mon, 21 Apr 2025 10:52:25 +0000 von Helmut de Vries

Der Tod des Todes – Jes 25, 6-9

6 Bereiten wird der Herr Zebaoth für alle Völker auf diesem Berge
ein Mahl von Fettspeisen, ein Mahl von Hefeweinen, von markigen
Fettspeisen, von gefilterten Hefeweinen. 7 Vernichten wird er auf
diesem Berge die Hülle, die gehüllt ist über alle Völker, die Decke,
die gedeckt ist über alle Nationen. 8 Vernichten wird er den Tod
für immer. Abwischen wird der Herr die Tränen von allen
Gesichtern. Die Schmach seines Volkes wird er entfernen von der
ganzen Erde; denn der Herr hat es gesagt.
9 An jenem Tage wird man sagen: Siehe, da ist unser Gott, auf den
wir hofften, daß er uns helfe! Das ist der Herr, auf den wir hofften!
Laßt uns jubeln und uns über seine Hilfe freuen!
(Übersetzung: Otto Kaiser, 1973, bearbeitet von A.L.)
„Die Lebenszeit“: Ein Buch mit diesem schlichten Titel hat schon
vor einigen Jahren meinen Blick auf das Leben verändert. Der
Untertitel dieses Buches sagt, worum es darin geht: „Vom
aufgeschobenen Tod und von der Kunst des Lebens“.
In früheren Jahrhunderten war der Tod noch für jeden
Menschen allgegenwärtig. In Gestalt von Hunger, Krankheit oder
Krieg konnte er jeden Menschen zu jeder Zeit ereilen. Doch in
diesem Buch zeigt der Berliner Kulturwissenschaftler Artur Imhof
noch etwas: Die Menschen hatten sich früher in ihren Dörfern und
Städten so fest zusammengeschlossen, daß der Tod ihre
Gemeinschaft nicht ins Wanken bringen konnte, auch wenn er
immer wieder Menschen im besten Alter aus ihren Reihen
herausriß. Man konnte sich aufeinander verlassen.
Hunger und Krieg als Lebensrisiken haben zumindest bei uns
in Westeuropa seit langem ihre Schrecken verloren. Die
Krankheiten haben wir mit einer leistungsfähigen Medizin immer
besser im Griff. Das ermöglicht uns eine immer höhere
Lebenserwartung.
Doch diese erfreuliche Entwicklung birgt auch eine große
Herausforderung: Denn ein immer längeres Leben sollten wir
ganz bewußt gestalten, gerade auch im Alter. Darin liegt die Kunst
des Lebens. Denn eines merken wir ja auch: Viele Menschen
kommen im Alter mit ihrem Leben doch nicht zurecht. Sie fühlen
sich nutzlos und einsam. Das Problem untergräbt unaufhörlich
unsere Gesellschaft.
Der Tod ist von uns Menschen immer weiter aufgeschoben
worden. Artur Imhof zeigt in seinem Buch die dramatischen
Folgen davon. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Genau
davon aber ist in den gerade gehörten Worten aus dem
Jesajabuch die Rede: vom nicht nur aufgeschobenen, sondern
vom tatsächlich aufgehobenen Tod. Hier sind wir Menschen
jedoch mit unserer Weisheit am Ende. Hier kommt Gott selbst ins
Spiel.
Das Hoffnungsbild von Gott, der den Tod verschlingen wird
auf ewig, hat die Israeliten in mancherlei Not getröstet, lange vor
dem Ostergeschehen um Jesus von Nazareth. Dieses Bild ist auch
uns sehr nahe. Gerade heute am Osterfest, wo wir an die
Auferweckung von Jesus denken, der drei Tage zuvor am
Karfreitag am Kreuz gestorben war. Wie kommt das?
Die Hoffnung, Gott werde eines Tages auch den Tod besiegen,
ihn und seine Macht aufheben, begegnet uns zuerst im Alten
Testament. Die ersten Christen vor 2000 Jahren kannten zu
Beginn nichts anderes als die Bücher des Alten Testaments. Bevor
sie nach und nach auch die Evangelien aufschrieben und die
Briefe von Paulus und anderen Aposteln an die Hand bekamen,
konnten sie besonders mit Hilfe des Jesajabuches am besten
verstehen, was sie erlebt hatten mit Jesus. Darum hören wir heute
zu Ostern das Wort von Gottes Sieg über den Tod aus Jesaja 25.
Schon für die Juden war dies der Gipfel all ihrer Hoffnungen,
die sie auf Gott setzten. Nach dem endgültigen Untergang des
Reiches vom legendären König David und seinen Nachfolgern im
6. Jahrhundert v. Chr. waren sie politisch unselbständig geworden.
Von da an herrschten fremde Mächte über sie. Alles hatte sich
gegen sie verschworen. Eine Änderung ihrer Lebensverhältnisse
war nicht in Sicht. So erwarteten die Israeliten, Gott selber möge
sich doch endlich als ihr Retter zeigen und dem bösen Treiben ein
Ende setzen.
Ihre Hoffnungen wuchsen noch an: Dieser Gott möge sich um
das Wohl seiner ganzen Schöpfung kümmern und nicht nur
seinem auserwählten Volk den Rücken stärken. Bald schon werde
Gott seine Macht auf Erden durchsetzen zum Wohle aller
Menschen, so hieß es.
Wenn Gott sich endlich als der einzige Gott überhaupt
erweisen werde, als der Schöpfer des Himmels und der Erde, dann
wird alle Zwietracht unter den Völkern ein Ende haben. Dann
würden die Menschen herbeiströmen, um Gott in Frieden
anzubeten auf dem Berg Zion in Jerusalem, an seinem einzigen
Wohnort auf Erden. Dort läßt Gott sich von allen Menschen finden.
Wenn diese Menschheitshoffnung sich erfüllt, dann besiegt
Gott sogar den Tod. Gott wird den Tod verschlingen auf ewig, sagt
Jesaja seinen verängstigten Landsleuten. Wer hat da nicht gleich
einen hungrigen Esser vor Augen, der hastig ein Wurstbrot
verschlingt oder eine Bratwurst. So mancher mochte auch aneinen Löwen denken, der seine Beute gierig verschlingt, mit Haut
und Haar. Eben noch war sie da, aber plötzlich ist sie vernichtet,
vom Erdboden verschwunden.
Genauso verschwindet der Tod. Nicht der Tod irgendeines
Menschen oder gar unser Tod ist gemeint. Das wäre allzu naiv,
Jesaja zu unterstellen, nach seinen Worten müsse keiner mehr
sterben. Das wissen wir besser. Gemeint ist vielmehr der Tod als
Person, als personifizierte Macht. Ihn muß Gott beiseite räumen,
nicht nur indem er einzelne Menschen wiederauferweckt wie
später seinen Sohn Jesus Christus.
In Israel hat man den Tod als ein wahrhaftiges Ungeheuer in
der Unterwelt angesehen. Auch wir kennen den Tod ja zumindest
von alten Gemälden noch als Sensenmann, als klappriges
Knochengerippe, das mit der Sense ausholt und uns Menschen
wegsäbelt. Mittelalterliche Bilder, zumeist an den Wänden neben
dem Altar, führen uns das noch drastisch vor Augen und jagen
uns damit Schauer über den Rücken.
Dieser Schnitter kommt immer ungelegen. Der Tod als
Schreckensgestalt reißt die Menschen nach seinem Belieben aus
dem Kreis ihrer Familien oder Mitmenschen heraus und schleppt
sie mit sich fort in die Unterwelt, dahin, wo wir Lebenden keinen
Zugang haben. So erleben auch wir es bei jedem Todesfall, und
diese unüberwindbare Trennung schmerzt uns ja am meisten.
So haben es unsere Vorfahren noch bis weit ins letzte
Jahrhundert hinein erlebt. Davon erzählt das Buch von Artur
Imhof über die Lebenszeit. Wer in die Fänge des Todes gerät, ist
von Gott für immer getrennt, so dachte man zu Zeiten des Alten
Testaments. Entweder – oder: Entweder wir gehören zu Gott oder
wir sind vom Tod gefangenommen auf ewig.
Der Tod ist die letzte Macht, die sich Gott noch entgegenstellt.
Sie entreißt ihm die Menschen und entführt buchstäblich seine
Geschöpfe. Diesen Tod muß Gott erst noch besiegen; gegen ihn
muß er noch zum alles entscheidenden Kampf antreten. Erst
wenn Gott den Tod entmachtet hat, kann er für immer zusammen
sein mit uns Menschen, so wie er es von Anfang an gewollt hat.
Von dieser Gemeinschaft erzählt die Geschichte von Adam und
Eva im Paradies.
Wenn es aber erst soweit ist, dann kennt der Jubel keine
Grenzen: „Das ist der Herr, auf den wir hofften. Laßt uns jubeln
und fröhlich sein über sein Heil.“ So heißt es bei Jesaja weiter.
Wenn Gott auch den Tod besiegt hat, dann sind all unsere
Hoffnungen wirklich erfüllt. Dann gibt es nur noch Grund zurFreude, die sich im Jubel Luft macht. Nichts und niemand kann
uns von Gott trennen. Auch nicht das Ende unseres Lebens hier
auf Erden.
zu Ostern wurde das Wort von Gottes Sieg über den Tod ganz
aktuell. Ob die Frauen an dieses Wort aus dem Jesajabuch
dachten, als sie vor der leeren Grabeshöhle von Jesus standen?
Auf Jesus von Nazareth ruhten so viele Hoffnungen, doch er
war gescheitert! Jesus hat nicht etwa die Juden damals von aller
Schmach befreit, die sie unter der römischen Staatsmacht erlitten.
Statt dessen ist er gefangengenommen und als politischer
Verbrecher verurteilt und hingerichtet worden. Und hatte er nicht
noch am Kreuz sich selber eingestanden, daß Gott ihn im Stich
gelassen hat? Auch den gekreuzigten Jesus also hatte der Tod sich
geholt und in die Gottferne verschleppt wie noch jeden Menschen.
Nun aber zeigt Gott an Jesus, was das heißt: „Er wird den Tod
verschlingen auf ewig.“ Gott hat Jesus nicht dem Tod überlassen.
Seinen Sohn hat der Tod nicht auch noch bekommen und ihm
entrissen! Als Zeichen dafür hat Gott Jesus wiederauferweckt.
Für Jesus beginnt aber nicht einfach ein neues Leben, ein
zweites nach dem ersten. Diese irrtümliche Vorstellung ist weit
verbreitet. Viele Menschen unter uns glauben an die sogenannte
Wiedergeburt. Wenn es schon kein ewiges Leben gibt, ein Leben
bei Gott, dem der Tod nichts mehr anhaben kann, dann soll es
doch wenigstens mehrere Leben geben. Vielleicht kommen wir ja
später noch einmal auf die Welt, wenn auch in einer anderen
Person. An diesen Gedanken klammern sich viele Menschen.
Mit dem Osterglauben hat das aber nichts zu tun. Durch die
Auferweckung seines Sohnes zeigt Gott uns: Er behält die Macht
über uns, auch im Tod. Er hält uns in seiner Hand und läßt uns
nicht mehr los, auch wenn wir sterben müssen. Das hat sich nicht
geändert: Den Tod hat ja ein jeder von uns noch vor sich. Aber
jetzt kann er uns nicht mehr von Gott trennen. So hat es auch der
Apostel Paulus den Christen in Rom geschrieben. Er sagt von sich:
„Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch
Mächte und Gewalten (...) uns scheiden können von der Liebe
Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“
Darum geht es am Osterfest. Gott läßt uns nicht mehr los,
auch nicht an unserem Lebensende. Seine Gemeinschaft mit uns
kann niemand zerstören, auch der Tod nicht. Und in diese
unverbrüchliche Gemeinschaft mit Gott ist Jesus endgültig
aufgenommen worden, als erster von uns allen. Auf Ostern folgt
ja nicht nur die Begegnung von Jesus mit seinen traurigen undskeptisch gewordenen Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. Es
folgt vor allem seine Himmelfahrt. Als erster von uns allen ist
Jesus nun auf ewig mit Gott verbunden, jenseits seines Todes. Da,
wo Gott auf uns wartet, ist er schon angekommen.
Die Menschen vor allem in der westlichen Welt haben den Tod
immer weiter aufgeschoben. Nahezu jeder von uns lebt jetzt
ziemlich lange auf dieser Welt. Darum sollten wir so etwas wie
einen Lebensplan entwerfen für 7, 8 oder gar 9 Jahrzehnte. Und
wir sollten uns rechtzeitig überlegen, was wir tun wollen im Alter,
wenn die Arbeit oder unsere Kinder unseren Alltag nicht mehr
bestimmen. So steht es in diesem immer noch lesenswerten Buch
über „Die Lebenszeit“.
Der Osterglaube an den auferstandenen Christus fügt dem
noch etwas viel Wichtigeres hinzu: Der Tod ist nicht nur
aufgeschoben. Seine Macht über uns ist auch wahrhaft
aufgehoben von Gott. Mit dem Tod ist eben nicht alles aus, früher
oder später. Er reißt uns nicht endgültig fort von unseren
Mitmenschen und fort von Gott. Ob dieser Glaube wohl auch
unsere Einstellung zum Leben prägt und nicht nur die Angst
davor, demnächst zur Masse der nutzlosen Alten zu gehören?
Ich denke schon! Es fängt damit an, daß sich unser Blick
plötzlich weitet. Wenn wir unser Leben betrachten, stoßen unsere
Augen nicht mehr an eine Grenze, die der Tod setzt, ganz nach
seinem Belieben. Es gilt nicht mehr: Mit dem Tod ist alles aus.
Finde dich damit ab und habe einfach möglichst viel Spaß im
Leben.
Statt dessen sagt uns die Osterbotschaft: Eure Beziehung zu
Gott, der euch geschaffen hat, kennt zwar einen Anfang, aber ein
Ende hat sie nicht, auch nicht durch den Tod. Und dies ist allen
Menschen versprochen!
Doch wir alle haben unser Lebensende unweigerlich noch vor
uns. Aber gestärkt durch den Glauben an den auferweckten
Christus bieten wir dem Tod und seiner Macht die Stirn. Dort, wo
er nach wie vor sinnlos nach den Menschen greift wie der
Sensenmann in der Vorstellung unserer Vorfahren. Noch ist die
Macht des Todes, Leben sinnlos zu zerstören und unsagbares Leid
über die Menschen zu bringen, nicht gebrochen. Das zeigt nicht
nur der grausame Krieg in der Ukraine.
Mit der Hoffnung auf Gottes Sieg über den Tod haben die
geschlagenen und entrechteten Israeliten im Jesajabuch die
Erwartung verbunden, Gott möge doch schon jetzt „die Schmachseines Volkes in allen Landen“ beseitigen. Genauso dürfen auch
wir Gott bitten, er möge schon jetzt einschreiten gegen alles
Unrecht, das Menschen nach wie vor allzu früh ihr Leben kostet
oder ihr Glück zerstört. Zudem werden wir auch selbst etwas tun
gegen Hunger, Krieg und Krankheiten, um den drohenden Tod für
Notleidende wenigstens aufzuschieben. Das ist unsere Aufgabe;
alles andere dürfen wir getrost Gott ans Herz legen. Wir tun das
mit den Worten aus dem Jesajabuch. Der Tod hat nicht das letzte
Wort über das Leben – nicht über das Leben von Jesus Christus
und nicht über das Leben von uns allen. Das ist die Botschaft von
Ostern auch heute noch.
Amen
Bestätigen

Bist du sicher?